Die übliche Gegensätzlichkeit zwischen "zivilisiert" und "primitiv" basiert auf der Missachtung der Distanz, die von den Sozialwissenschaften zwischen dem Beobachter und dem Beobachteten festgelegt wird. Die Anthropologie kann nur als Wissenschaft abgeschlossen werden, wenn sie auch ihre Aktivitäten und Werkzeuge der wissenschaftlichen Praxis als ihr Objekt begreift: genauer gesagt die Beziehung des Forschers zu seinem Objekt, ein besonderer Ausdruck der Beziehung zwischen Wissen und Handeln, Interpretation und Nutzung, symbolischer und praktischer Kontrolle. Pierre Bourdieu zeigt hier, welche Kräfte im zweiten Mitglied solcher gegensätzlicher Paare verborgen sind und was es bedeutet, die eigene Position in der Forschung anzuerkennen und zu integrieren. Was wir "primitives", "vorlogisches" oder "wildes" Denken nennen, ist nichts anderes als die praktische Logik, auf die wir täglich mit unseren Handlungen und Urteilen zurückgreifen. Aber während es für Ethnographen sehr natürlich erscheint, die Sprache der Regeln und Rituale zu verwenden, um über Ehe oder Magie in sogenannten traditionellen Völkern zu sprechen, reagieren wir, wenn Soziologen unser eigenes Verhalten in derselben Sprache beschreiben. Und doch ist rituelle Praxis, wie die meisten anderen auch, eine symbolische Übung, bei der der Körper für uns denkt. In diesem klassischen Werk, das ein Jahr nach "Distinction" (1980) veröffentlicht wurde, übt der bahnbrechende französische Denker und Forscher eine katalytische Kritik an der strukturalistischen Tradition aus der Perspektive des menschlichen Handelns und der Strategie aus, führt das Konzept des "Habitus" in die Sozialwissenschaften ein und bietet die umfassendste Formulierung seiner bahnbrechenden Theorie der Praxis