"Das Unbehagen der Geschlechter" ist eines der wichtigsten Werke der zeitgenössischen feministischen Theorie und Geschlechterforschung und gilt als grundlegender Text der Queer-Theorie. Sein Einfluss beschränkte sich nicht auf akademische Kreise, sondern löste intensive Diskussionen sowohl innerhalb der feministischen als auch der schwulen und lesbischen Bewegungen aus. Durch eine kritische Neulesung der Werke von Beauvoir, Foucault, Wittig, Irigaray, Lévi-Strauss, Lacan, Freud, Rubin, Kristeva versucht Judith Butler eine kritische Genealogie der Konstruktion der Kategorien von Geschlecht, Sexualität, Begehren und Körper als Identitätskategorien, die sie als Produkte der "zwanghaften" Heterosexualität und des Phallozentrismus sieht. Indem sie die Positionen erweitert, dass Subjektivität diskursiv produziert wird und dass biologisches Geschlecht eine politische Kategorie ist, die Heterosexualität untermauert, entwickelt sie das bahnbrechende Argument, dass die vermeintliche Kohärenz zwischen biologischem Geschlecht, sozialem Geschlecht und Sexualität nichts weiter ist als die wiederholte stilistische Aufführung spezifischer Handlungen im Laufe der Zeit, Handlungen, die ihre Bedeutung im Kontext der Heteronormativität erlangen. Diese Performativität des Geschlechts, die den Eindruck eines geschlechtsspezifischen Kerns, einer verborgenen psychischen Substanz vermittelt, wodurch Geschlecht als real wahrgenommen wird, ist dennoch nichts weiter als eine Nachahmung ohne Original, eine kontinuierliche Parodie des Konzepts des Originals. In diesem Zusammenhang kann die misslungene Nachahmung, die erfolglose Ausführung des Befehls "ein bestimmtes Geschlecht zu sein", die Geschlechterkategorien stören und Risse schaffen, die eine Neusignifikation ermöglichen.

"Es gibt einen Aspekt der Produktionsbedingungen des Textes, der nicht immer verstanden wird: Er wurde nicht einfach von der Universität produziert, sondern durch konvergierende soziale Bewegungen, an denen ich teilnahm, und innerhalb einer lesbischen und schwulen Gemeinschaft an der Ostküste der Vereinigten Staaten, in der ich vierzehn Jahre lebte, bevor ich dieses Buch schrieb. Trotz der Verschiebung des Subjekts, die der Text vollzieht, gibt es hier eine Person: Ich ging zu vielen Treffen, Bars und Demonstrationen und sah viele Arten von Geschlechtern, verstand, dass ich selbst an einigen von ihnen an einem Kreuzungspunkt stand und begegnete Sexualität an mehreren ihrer kulturellen Extreme. Ich traf viele Menschen, die versuchten, ihren Weg innerhalb einer bedeutenden Bewegung für sexuelle Anerkennung und Freiheit zu finden, und ich fühlte die Freude und Enttäuschung, die Hand in Hand mit der Zugehörigkeit zu dieser Bewegung sowohl in ihrem Optimismus als auch in ihrer internen Zwietracht gehen. Gleichzeitig, als ich mich an der Universität niederließ, lebte ich auch ein Leben außerhalb ihrer Mauern, und obwohl Das Unbehagen der Geschlechter ein akademisches Buch ist, begann es für mich mit einem Übergang: Ich saß am Rehoboth Beach und fragte mich, ob ich die verschiedenen Seiten meines Lebens verbinden könnte..."

Judith Butler