Und die Tage begannen zu gehen. / Und sie haben uns erschaffen. / Und wir wurden geboren, ihre Kinder, / wir sind die Kinder der Tage, / die gehen / und das Leben erkunden.

Dieses Gedicht von Maya ist das Vorwort, aber auch der Bezugsrahmen, des neuesten Buches des großen uruguayischen Autors Eduardo Galeano. Wir, die Menschen, zu allen Zeiten der Geschichte, an allen Punkten der Karte, sind Kinder der Tage, Kinder der Zeit, gemacht aus lebender Materie und Geschichten, aus den Ereignissen der Vergangenheit und der Gegenwart. Und jeder Tag des Jahres hat seine eigene Geschichte zu erzählen über das große menschliche Abenteuer, das vor Tausenden von Jahren begann und bis heute andauert. Galeano schreibt sein "persönliches Tagebuch", er, ein Liebhaber der Geschichte und ein Entdecker des Mythos, der Vergangenheit mit Gegenwart verbindet, die Essenz, die hinter dem Aktuellen verborgen ist, die Universalität von Handlungen und Ereignissen, an denen der gewöhnliche Beobachter der Dinge vorbeigeht, ohne ihre Bedeutung zu entschlüsseln.

Dreihundertsechsundsechzig Erzählungen - vergessen wir nicht, dass 2012 ein Schaltjahr ist - eine für jeden Tag des Jahres, bilden dieses Tagebuch, geschrieben von einem klassischen Autor, der etwas Seltenes erreicht hat: viel mit wenigen Worten zu sagen, den Leser vom Kleinen zum Großen zu führen. Poesie, Reflexion, Humor, soziale Kommentare, Anklage, harmonieren in einer Schreibweise, die zu Galeanos Markenzeichen geworden ist, einer Schreibweise, die im Wesentlichen entwaffnend ist:
"17. Oktober / Stille Kriege: Heute ist Welttag gegen Armut. Armut explodiert nicht wie Bomben und klingt nicht wie Schüsse. Über die Armen wissen wir alles: dass sie nicht arbeiten, was sie nicht essen, wie viel sie nicht wiegen, wie groß sie nicht werden, was ihnen fehlt, woran sie nicht denken, woran sie nicht glauben. Wir müssen nur lernen, warum sie arm sind. Vielleicht, weil ihre Nacktheit uns kleidet und ihr Hunger uns ernährt;"