Wie viele der heutigen gebildeten Leser haben die Meisterwerke der europäischen Literatur gelesen? Wie viele haben Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" oder Joyces "Ulysses" gründlich gelesen? Wie viele italienische, englische oder altgriechische Literaturprofessoren haben die klassischen Werke, die sie ihren Studenten lehren, wie Dantes "Inferno", Miltons "Paradise Lost" oder Homers "Ilias", von Anfang bis Ende gelesen? Sehr wenige, behauptet Pierre Bayard, obwohl sie bewundernswert darüber sprechen können und interessante Meinungen zu Form und Inhalt äußern.

Das Nichtlesen der "klassischen" Texte, von denen wir annehmen sollen, dass wir sie gelesen haben, stößt auf eine Reihe internalisierter Zwänge - diejenigen, die sie nicht gelesen haben, gelten automatisch als ungebildet und anrüchig -, die laut Bayard zu einer kollektiven Vortäuschung führen, was die Bücher betrifft, die wir gelesen haben.

Indem er mit großer Überzeugungskraft die Umstände analysiert, unter denen wir gezwungen sind, über Bücher zu sprechen, die wir nicht gelesen haben, bietet uns der französische Autor, basierend auf seinen persönlichen Erfahrungen, eine Reihe von Ratschlägen, die es uns ermöglichen, dieses "Kommunikationsproblem" effektiv anzugehen und über die Aktivität des Lesens und ihre Bedeutung klarer und ehrlicher nachzudenken. Letztendlich liegt der Wert nicht nur im Buch selbst, sondern auch in seiner kulturellen Wirkung, dem spezifischen Gewicht, das es im Kontext der Kultur seiner Epoche trägt. Wir haben vielleicht nicht alle Bücher gelesen, über die wir sprechen, aber wir wissen, dass wir ohne sie ärmer wären; daher räumen wir ihnen auch auf diese Weise einen prominenten Platz in unserem Leben ein.

Das Buch ist in folgende Abschnitte unterteilt:

A. Arten des Nichtlesens
- Bücher, mit denen wir nicht vertraut sind
- Bücher, die wir selektiv gelesen haben
- Bücher, von denen wir gehört haben
- Bücher, die wir vergessen haben
B. Umstände des Sprechens
- Bei gesellschaftlichen Zusammenkünften
- Vor einem Professor
- Vor dem Autor
- Mit unseren Liebsten
C. Empfohlenes Verhalten
- Sich nicht schämen
- Unsere Ideen durchsetzen
- Bücher erfinden
- Über uns selbst sprechen